coolibri trifft… Deichkind

Foto: Tossia Corman
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20 Jahre Deichkind – dieses Jubiläum ist den Herren aus dem hohen Norden eine besondere Tour wert. Neben den großen Stadion-Shows, die sie mittlerweile locker füllen, geben sie in ausgewählten Städten kleine, intime Clubshows für eingefleischte Fans. So zum Beispiel am 3.7. im Hockeypark in Mönchengladbach. Rund 200 Deichkindjünger hatten das Glück, Tickets für das besondere Event zu gewinnen. Im Strandhaus der Arena ging es dann ab – Konfettikanone, Champagner-Dusche und Kissenschlacht inklusive. Wir trafen vor dem Spektakel Porky und Philipp zum Gespräch über Lampenfieber, Demut und das Codewort „coolibri“.

20 Jahre Deichkind – Gibt es für euch Highlights in der Bandgeschichte?
Philipp: Es gibt so viele! 20 Jahre ist so eine lange Zeit, das ist ja schon fast eine abendfüllende Frage. Wir haben sehr viel geschafft, wir sind erfolgreich, aber es gab auch viele Rückschläge, Personalwechsel, Auseinandersetzungen. Aber natürlich auch sehr viele Meilensteine. Bis zu dem Punkt, dass wir jetzt wirklich unser größtes eigenes Konzert spielen in Berlin. Aber das ist natürlich alles auch verbunden mit viel Schweiß und Tränen, hinter den Kulissen.
Porky: Ich hatte kürzlich ein Gespräch mit jemandem, der hat gesagt, Deichkind ist die Band, die sich immer neu erfunden hat. Da musste ich dann sagen, dass diese Neuerfindungen ja auch immer mit einem gebrochenen Herzen zu tun haben. Eigentlich sehnen wir uns nach was, das bleibt. All diese Veränderungen – einer hat die Band verlassen, einer ist gestorben – waren eigentlich immer aus der Not heraus.
Philipp: Es gibt auch bei uns nicht einen Chef, der weiß: „Das ist jetzt das richtige, lass uns das mal ausprobieren.“ Da sind wir auch in Diskussion. Wir haben viel gesprochen, auch gestritten, aber das ist auch gut. Es gibt bestimmt auch Bands, die auseinandergehen, weil diese Kommunikation nicht klappt. Wir haben viel dafür gearbeitet, und jetzt sind wir fast wie eine Familie.
Porky:  Wir sind wie ein Uhrwerk.

Als ihr angefangen habt – war schon immer der Plan da, damit voll durchzustarten?
Philipp: Irgendwie schon, klar. Aber trotzdem ist man bei jedem Schritt, den es dann vorangeht, demütig, man wundert sich immer noch. Man denkt vor jedem Konzert: „Heute fliegt es auf, heute merken alle, dass wir einfach nur ein paar Typen sind, die auf der Bühne rumhampeln!“ (lacht).
Porky: Und das haben wir immer noch, das geht nie wieder weg.
Philipp: Rückblickend ist natürlich auch viel Glück dabei gewesen, aber auch viel durchziehen, sich nicht beirren lassen. Dranbleiben und an sich selber glauben. Das ist nicht immer einfach, aber es geht.
Porky: Und man muss man selber bleiben, nicht kopieren. Wir sind nicht unbedingt die Typen, die ihre Identität aus Deichkind ziehen, die sich dafür aufgeben. Deichkind ist so ein Ding, das ist größer als man selber.
Philipp: Deswegen können wir zum Beispiel auch mit der S-Bahn zum Studio fahren – wenn ich jetzt so im ICE sitze, dann denkt keiner: „Krass, das ist der Typ von Deichkind“. Wenn ich da jetzt mit einem Pyramidenhelm sitzen würde, dann wahrscheinlich schon.  Das ist schon eine Fantasiewelt, die wir aufgebaut haben.

Wie seid ihr strukturiert als Band? Habt ihr eine klare Rollenverteilung?
Philipp: Ich guck mir viele Tutorials an. Manchmal komm ich nicht weiter, dann such ich mir im Internet was. Ich lerne gern, komm gerne weiter. Wenn man kreativ arbeitet, muss man dran bleiben. Man hat nicht die ganze Zeit Output, da muss man sich hinsetzen und wieder „auffüllen“.
Porky: Da unterscheiden wir uns total, ich bin ein sehr intuitiver Typ. Da ergänzen wir uns sehr, seine Professionalität und Organisiertheit und meine Impulsivität mischen sich gut. Das ist vielleicht die Rollenverteilung.

Ihr habt ja schon unzählige Shows gespielt – gibt es Rituale, die ihr vor jedem Auftritt durchzieht?
Porky: Spazierengehen und uns gegenseitig versichern, dass wir nicht verrückt werden. Dieses Gefühl habe ich, und das geht auch nicht weg. Das nennt man Lampenfieber. Und Stretching. Wir sind ja auch nicht mehr die Jüngsten! Und einen Kurzen nehmen, knapp vorm Auftritt.
Philipp: Wir sprechen uns, kurz bevor wir auf die Bühne gehen, über das In-Ear-Monitoring lustige Sachen ins Ohr. Witzigerweise war ganz lang „coolibri“ unser Codewort für einen bestimmten Part der Choreographie während der Show. Wenn einer gemerkt hat, dass ein anderer nicht mehr weiß, wo er gerade ist, hat er „coolibri“ ins Mikro gebrüllt.

Merkt ihr einen Unterschied zwischen kleinen Clubshows, so wie jetzt in Mönchengladbach, und riesen Stadion-Konzerten?
Porky: In den Anfängen, als wir noch regelmäßig so kleine Gigs gespielt haben, das war schon eine besondere Stimmung – es tropft von der Decke, es ist auch nicht schlimm, wenn mal was schief geht. Das war ein bestimmtes Gefühl, und wenn wir jetzt so kleine Shows spielen, machen wir das für uns, „Back to the Roots“-Style.
Philipp: So haben wir angefangen, und so ist auch der Funke entstanden: Eine Band, die auf der Bühne steht und ihr Ding macht, und vielleicht auch denkt, jetzt ist auch egal, wir machen jetzt noch Party. Das hatte eine Magie, die über die Jahre ein bisschen weniger geworden ist, überdeckt wurde mit Professionalität. Mit so kleinen, intimen Gigs kann man dieses Gefühl wieder zurückholen.
Porky: Ich spiel aber auch gerne auf großen Festivals zum Beispiel. Da trifft man dann andere Bands, feiert zusammen.  Oder jetzt der Gig in Berlin mit 17.000 Leuten als Headliner.

Was war der abgefahrenste Gig in den letzten 20 Jahren?
Philipp: Ich glaub, auf der Musikmesse in Frankfurt zu spielen. Da wurden uns Mikrofone im Gegenzug für eine Show versprochen, da haben wir uns blaue Müllsäcke angezogen und für das Publikum auf der Musikmesse gespielt. Das war abgefahren.
Porky: Und auf der Loveparade, auf einem Wagen, vor einer  Millionen Menschen. Da hab ich Sachen gesehen, das wird nie wieder weggehen. (lacht). Da haben wir auch drei Shows an einem Tag gespielt. Das war auf jeden Fall denkwürdig!

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