Titus Dittmann. Skateboarding. Streetwear. Eine Verbindung, die wahrscheinlich nahezu jeder von uns direkt im Kopf hat. Doch hinter dem 73-jährigen Skateboard-Pionier steckt viel mehr als ein Brett mit vier Rollen und die passenden Klamotten: Er ist Rennfahrer, Ex-Studienrat, Uni-Dozent und – besonders wichtig – Social Entrepeneur und Begründer der Initiative „skate-aid“. Dafür wurde er nun sogar mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. André Kaminski hat sich mit dem Leben des Münsteraner beschäftigt.
Die pädagogische Kraft des Skateboards
Die Stiftung wurde von Titus Dittmann 2009 ins Leben gerufen und unterstützt Kinder- und Jugendprojekte auf der ganzen Welt, die mit dem Skateboarding Entwicklungshilfe leisten – insbesondere in Regionen, in denen Terror, Gewalt und Zerstörung an der Tagesordnung stehen.
So entstand im Frühjahr 2010 der erste skate-aid-Park an einer Schule in Karokh in Afghanistan und die Erfolgsgeschichte des Projekts nimmt ihren Lauf.
Kinder sollen mit der pädagogischen Kraft des Skateboards stark gemacht und glücklich gemacht werden. „Skateboarding bringt gute Erkenntnisse fürs Leben wie ´Nach dem Hinfallen kommt das Aufstehen und der Neuversuch!´, selbstgesteckte Ziele lassen sich viel leichter erreichen als fremd vorgegebene und vor allem macht das Erreichen selbstgesteckter Ziele glücklich“, sagt Dittmann zum pädagogischen Ansatz. „Es geht also um Selbstwirksamkeit, Anheben des Selbstkonzepts, Resilienz oder kurz gesagt: um Persönlichkeitsbildung. Skateboarding macht über das selbstbestimmte Lernen Kinder stark“, so der 73-Jährige.
Jahrzehnte voller Aktivität
In der Szene ist Titus Dittmann nun bereits seit vielen Jahrzehnten aktiv. Und die Szene hat ihm einiges zu verdanken: Nach seinem Studium in den Fächern Geographie und Sport an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster gründete er im anschließenden Referendariat Ende der Siebziger eine „Schülergemeinschaft Skateboard“ – und ging damit völlig neue Wege. Passend dazu schrieb er 1980 sein 2. Staatsexamen zum Thema „Skateboarding im Schulsportunterricht?“ und startete mit dem Import der Skateboards aus den USA für seine Schüler:innengruppe.
Sein Einsatz trug Früchte: Als Studienrat an einem Gymnasium in Hamm integrierte er Skateboarding als Teil des Unterrichts. Das war deutschlandweit erst- und einmalig. Doch damit nicht genug: Das erste Skateboard-Event wurde von Titus Dittmann 1982 veranstaltet – und mutierte später mal eben zur Skateboard-Weltmeisterschaft „Monster Mastership“. In dieser Zeit gründete er auch das Unternehmen Titus als einen der ersten Skate-Shops Europas. 2010 übergab Titus Dittmann die Geschäftsführung an seinen Sohn, um sich voll und ganz auf sein Engagement im gesellschaftlich-sozialen Bereich zu fokussieren.
Auszeichnungen, Auszeichnungen!
Titus Dittmann blickt heute bereits auf einige Auszeichnungen zurück: Zur Jahrtausendwende war er bereits Finalist beim renommierten Wettbewerb „Entrepeneur des Jahres“, 2001 räumte er die Auszeichnung in der Kategorie Handel dann tatsächlich ab und erhält den Wirtschaftspreis der Stadt Münster. „Früher habe ich noch alle Auszeichnungen abgelehnt, aus Angst, ich könnte meine Glaubwürdigkeit in der Skateboardwelt verlieren. Aber seit ich weiß, dass die Angst unberechtigt ist, genieße ich auch die Akzeptanz und die Anerkennung des Establishments und freue mich sogar sehr dort angekommen zu sein“, so Dittmann. 2009 gab es den Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen und ein Jahr später den „Laureus Medien Preis“.
Mit dem Projekt „skate-aid“ folgte 2013 die nächste Auszeichnung: Dittmanns Initiative wird in der Kategorie „Marketing/Social Awarness“ mit dem „Ispo Award“ ausgezeichnet, im selben Jahr erhält Dittmann den „Deutschen Gründerpreis“ in der Kategorie Sonderpreis.
Ruanda, Namibia, Syrien, Uganda
In den folgenden Jahren entstehen viele neue Skateparks in armen Ländern, zudem verwirklicht Dittmann zahlreiche Teilprojekte. In Kooperation mit den SOS Kinderdörfern wird 2016 ein Park in Ruanda eröffnet, 2017 eine Anlage in Namibia, 2018 in Südafrika, 2020 in Syrien, 2021 in Uganda. Parallel dazu setzte er unter anderem das interdisziplinäre Forschungsprojekt „Skaten statt Ritalin“ um.
Für all diesen außergewöhnlichen Einsatz erhielt Dittmann nun das Bundesverdienstkreuz am Bande von Regierungspräsidentin Dorothee Feller. Sie würdigte damit das jahrzehntelange Engagement des Skateboard-Pioniers und ambitionierten Pädagogen für den sportlichen und gesellschaftlichen Bereich.
„Mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande bin ich nun ziemlich am Ende der Auszeichnungs-Fahnenstange angelangt. Aber das passt mit 72 Jahren sehr gut, um sich auch öfter mal einen genüsslichen Blick nach hinten gönnen zu können“, so Dittmann. „Viel wichtiger aber ist mir, dass dieser Orden für mein Team und alle skate-aid-Supporter ebenfalls eine motivierende Bestätigung für ihr großartiges Engagement ist!“
Also kein Erfolg im Alleingang? Nein, so Dittmann: „Ohne meine starke Familie, ohne die vielen brennenden Herzen und ohne die vielen intrinsisch motivierten und begeisterten Menschen an meiner Seite, hätte ich das alles gar nicht stemmen können. An dieser Stelle ein großes Danke an alle, die mich auf diesem Wege begleitet und ermutigt haben. Die Liste wäre zu lang, um alle aufzuzählen, aber jeder einzelne hat einen Platz in meinem Herzen.“
Doch was kann nach so vielen Jahren und Auszeichnungen für einen 73-Jährigen jetzt eigentlich noch kommen? „Ich weiß, dass ich ein alter Sack bin und fühle mich so wohl dabei! Als ich Ende der 1960er Jahre auf die 30 zuging, hatte ich noch ein Problem mit dem älter werden. Aber mit jeder neuen „0“ wurde mein Leben immer geiler. Ich bin mir sicher, dass das mit 80, bei meiner nächsten „0“, so weiter geht. Wie sonst soll ich meine vielen Ideen für skate-aid, noch viele Kinder weltweit stark zu machen, umsetzen! Es gibt noch eine Menge zu tun und sicherlich immer mehr auch in Deutschland“, so Dittmann abschließend.
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