Um die Ecke klicken: Backwoods Entertainment

Matthias (links), Marcus und Tristan | Foto: Backwoods Entertainment
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Das Bochumer Entwicklerteam von Backwoods Entertainment hat jüngst mit „Unforeseen Incidents“ sein erstes Videospiel veröffentlicht. Im Gespräch mit Lukas Vering verriet Schreiber und Game Designer Marcus Bäumer, welche Inspirationen dahinter stecken, was die Region für Entwickler zu bieten hat und wie aus einem jugendlichen Hirngespinst ein waschechtes Point&Click-Adventure wurde.

Mit grollendem Donner und prasselndem Regen auf einer Landstraße begrüßt das Point & Click-Adventure „Unforeseen Incidents“ seine Spieler. Mit einem Klick auf „Spiel starten“ geht es in die liebevoll handgezeichnete Welt rund um die Kleinstadt Yelltown, in der es der unbekümmerte Handwerker Harper Pendrell mit einer mysteriösen Seuche zu tun bekommt, die sein beschauliches Leben aufrüttelt. Fortan bewegt der Spieler den sympathischen Lump Harper durch eine detailstrotzende Welt in gekritzelter Grafik, deren eigenwilligem Schludercharme man einfach erliegen muss. Überall warten Puzzle und Denksportaufgaben, die aufmerksames Interagieren mit der Umwelt abverlangen und für die man ein ums andere Mal um die Ecke denken muss. Ein klassisches Point&Click-Abenteuer mit pfiffigen Neuerungen und spannender Story, dass drei junge Entwickler aus Bochum in jahrelanger Arbeit herangezüchtet haben.

„Dass es so passiert, wie es passiert ist – das war eigentlich nie das Ziel“, berichtet Marcus Bäumer, der bei „Unforeseen Incidents“ für die Geschichte und das Game Design verantwortlich zeichnet. Denn die Idee zum Spiel ist schon alt. Erstmals kam sie auf, als Bäumer und seine zwei Kollegen Matthias Nikutta (Animation) und Tristan Berger (Sound Design) noch im beschaulichen Oer-Erkenschwick beheimatet waren und beim sommerlichen Grillen Entwürfe kritzelten und Geschichten zusammensponnen. „Das war damals alles noch unglaublich schlecht. Aber letztlich war es die Basis für das, was heute das fertige Spiel ist.“ Richtig Anschub bekam die Idee während eines Praktikums in Kanada. „Da hatte ich viel Zeit über die Story nachzudenken, bin viel rumgelaufen und habe mich von allem inspirieren lassen.“ Anfangs werkelten die drei Erkenschwicker in ihrer Freizeit am Videospiel. Der erste richtige Entwurf entstand 2011, vier Jahre später fand sich per Zufall ein Publisher. „Bei der Gamescom 2015 traf ich die Leute von Application Systems Heidelberg, die dort ihr eigenes Point&Click vorstellten. Ein paar Monate später stand die Entscheidung, dass die uns finanzieren werden. Anfang 2016 haben wir uns dann mit Backwoods Entertainment selbstständig gemacht und arbeiten seitdem in Vollzeit an diesem Projekt.“

„Unforeseen Incidents“

„Unforseen Incidents“: Entwickelt in Bochum | Foto: Backwoods Entertainment

Inspiriert ist „Unforeseen Incidents“ nicht nur von Mysteryserien wie „Twin Peaks“, „Akte X“ oder „Lost“ und alten Videospielen von Lucas-Arts („Day of the Tentacle“, „Monkey Island“), sondern auch von der Erkenschwicker Heimat. „Der Kontrast von Klein- und Großstädten wird im Spiel sehr offensichtlich. Und auch Harpers Dilemma ist eng damit verbunden: Er sucht seinen Platz in der Welt, will erfahren, wer er ist und was er will. Eigentlich will er in seiner kleinen, bescheidenen Stadt Yelltown bleiben, aber das nette Leben ist auch eine Sackgasse. Auf der einen Seite steht die Sicherheit des Bleibens, auf der anderen das Abenteuer des Weggehens.“ Für Geschichtenschreiber Bäumer offensichtlich kein unbekannter Konflikt.

Ihre Arbeit verrichten die drei Entwickler mitten aus dem Ruhrgebiet heraus. Bochum ist die Zentrale der Wahl. „NRW ist allgemein nicht schlecht für Entwickler, da es viele gute Fördermöglichkeiten vom Land gibt. Wir hatten etwa ein Stipendium vom Mediengründerzentrum NRW, das neben finanzieller Unterstützung auch Kurse zu allem möglichen Businesskram enthielt. Das war wichtig, weil wir, wie viele junge, kreative Medienunternehmen, da extreme Wissenslücken hatten.“ Das Ruhrgebiet selber sei laut Bäumer zwar keine herausstechende Adresse für Medienmacher, die Nähe zu Düsseldorf und Köln helfe aber enorm. „Programmieren und schreiben kann ich von überall, aber die Vernetzungsmöglichkeiten in den Medienstädten ist sehr wichtig, um voran zu kommen.“

Weiter voran geht es auch für die drei Exil-Erkenschwicker, denn an einem neuen Titel wird bereits getüftelt. „Es wird kein Point & Click-Adventure“, verrät Bäumer. „Unser nächstes Spiel wird zwar wieder eine Mysterygeschichte, die soll sich aber diesmal wie ein interaktiver Film spielen. Der Spieler soll mit Umgebung und Charakteren agieren und jede Entscheidung beeinflusst den Lauf der Geschichte.“ Wie im echten Leben also.

Auf der Gamescom 2018: 22.-25.8., Halle 10.1.

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