Zu fast jedem Konzert, wo „Jazz aus London“ angepriesen wird, kann man derzeit hingehen und wird keine Enttäuschung erleben. Warum ausgerechnet Alfa Mist im Club Bahnhof Ehrenfeld in Köln? Weil ein Abend zu erwarten war, der nachhaltig Euphorie auslöst. Genau so kam es. Ein Nachbericht.
Alfa Mist ist der Name eines in East London aufgewachsene Hip-Hop-Produzenten, der sich selbst das (Jazz-)Klavierspiel beigebracht hat. Mit „Antiphon“ hat er 2017 ein unwahrscheinlich gutes Debütalbum vorgelegt. Wer wissen will, was das genau bedeutet, hört sich am besten den ersten Track an: „Keep On“. Eine großartige Live-Einspielung gibt’s bei den Mahogany Sessions.
Wie sich hier die Stimmen eines entspannten Rhodes Pianos und ein treibendes Schlagzeug umspielen und es tatsächlich mal alles andere als langweilig ist, Gitarren-, Bläser- und Bass-Soli zu folgen, ist einfach umwerfend.
„Keep on“, Mahogany-Sessions 2017
„Keep On“ wird so auch zu einem Höhepunkt des Konzerts am 26.4.2019 im Club Bahnhof Ehrenfeld. Hunderte Menschen jubeln entzückt, als sich aus einer Klavierimprovisation das Thema des Stücks heraus schält und Schlagzeuger Jamie Houghton präzise Schläge setzt. Bei Alfa Mist treffen Freiheit und Versponnenheit des Jazz auf Energie und Präzision von Hip Hop und die entrückte Schönheit von R’n’B und Soul. Bassistin Kaya Thomas-Dyke ist auch eine phantastische Sängerin und beweist das bei den Songs „Breathe“ oder – fast noch besser – bei brandneuen „Falling“.
Das Kölner Publikum hatte nämlich das unverschämte Glück, Alfa Mist am Tag der Veröffentlichung seines neuen Albums zu erleben: In „Structuralism“ kommt die Vermählung der Stile, die die Londoner Musiker vereinen, vielleicht noch besser zum Tragen als auf dem Vorgänger. Stücke wie „Mulago“ oder „Retainer“ mit rasanten Taktverschiebungen werden jedenfalls jetzt schon bejubelt und bejauchzt wie All-Time-Favorites.
Wer hier euphorisch applaudiert, das ist ein äußerst diverses Publikum aus überwiegend jungen Menschen, Frauen und Männer halten sich ungefähr die Waage. Das ist toll, weil man sonst bei Jazzkonzerten oft das Gefühl hat, dass eine Handvoll grauhaariger Männer einem Genre beim Aussterben zusieht. Wenn die Londoner Szene im Club Bahnhof Ehrenfeld oder auch dem Domicil Dortmund zu Gast ist, dann denkt man: Es gibt noch Hoffnung. Zum Glück.
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