Was bewegt derzeit die Welt? Welche Themen bestimmen Politik und Gesellschaft? Und wie sollen wir nur mit der Flut an Informationen umgehen? Hilfreiche Einordnungen liefern aktuelle Sachbücher, die komplexe Themen anschaulich auf den Punkt bringen. Unsere Buchtipps drehen sich dabei um so wichtige Aspekte wie Künstliche Intelligenz, Gleichstellung und Teilhabe sowie den Umgang mit Abfall in einer Wegwerfgesellschaft. Hier könnt ihr euch Wissen anlesen!
Marcus Bensmann: Niemand kann sagen, er hätte es nicht gewusst.
Hochaktuell und minutiös recherchiert: In seinem Buch „Niemand kann sagen, er hätte es nicht gewusst” schildert der Journalist und Extremismus-Experte Marcus Bensmann seine Erkenntnisse über die AfD, die auf vieljährigen Recherchen des CORRECTIV-Netzwerks beruhen. Ob Potsdamer Geheimtreffen oder die geplante Abschaffung von Grundwerten – Bensmann rekonstruiert anhand von Aussagen der AfD-Mitglieder die Pläne der Partei. Und dafür war er viele Jahre lang hautnah dabei, etwa bei Parteitagen, Kreisversammlungen und weiteren Treffen des rechten Spektrums. Herausgekommen ist ein Zeitdokument, das die Gefahren, die von der AfD für Deutschland ausgehen, aufzeigt: „Es geht um die Vertreibung von Millionen von Menschen, die Hinwendung zu Russland und China und die Abschaffung der universellen Menschenrechte.”
Marcus Bensmann: Niemand kann sagen, er hätte es nicht gewusst. Die ungeheuerlichen Pläne der AfD, Galiani-Berlin, 256 Seiten, 22,00 €
Leonie Schöler: Beklaute Frauen
In ihrem Sachbuch-Debüt „Beklaute Frauen” berichtet die Historikerin, Journalistin und Moderatorin Leonie Schöler (*1993) davon, wie Frauen Geschichte schrieben – und Männer dafür den Ruhm einheimsten. Denn in der Historie gibt es viele Beispiele für „Musen, Sekretärinnen und Ehefrauen, deren Einfluss aus der Geschichte radiert wurde.” So zeichnet Schöler in ihrem Werk Biografien von Frauen nach, die auf ihrem Weg zum Ruhm ausgenutzt wurden – etwa von Bertolt Brecht, Albert Einstein oder Pablo Picasso. Das waren Wissenschaftlerinnen, deren Errungenschaften im Schatten jener ihrer männlichen Kollegen zurückblieben. Oder Autorinnen, die unter einem männlichen Pseudonym veröffentlichten. Dank Leonie Schöler erhalten diese Frauen nun ihren verdienten (späten) Ruhm, denn die Historikerin erzählt ihre Geschichten und stellt dabei heraus, wo bis heute entsprechende Spuren in der Gesellschaft zu finden sind. Ein wichtiger Beitrag im Kampf für Teilhabe und Sichtbarkeit.
Leonie Schöler: Beklaute Frauen. Denkerinnen, Forscherinnen, Pionierinnen: Die unsichtbaren Heldinnen der Geschichte, Penguin, 416 Seiten, 22,00 €
Roman Köster: Müll
„Wo Müll ist, da sind Menschen” – mit diesen Worten leitet Roman Köster, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, sein Sachbuch „Müll. Eine schmutzige Geschichte der Menschheit” ein. Und tatsächlich: Ob in der Vormoderne, im Industriezeitalter oder im Zuge unserer heutigen Wegwerfgesellschaft, immer schon fiel Abfall an. Bereits die Neandertaler, so ist von Roman Köster zu erfahren, haben Dinge für nutzlos befunden und aussortiert. Doch wie hat sich unser Umgang mit Müll über die Epochen hinweg verändert? Und wie konnte es passieren, dass er sich von einer Frage städtischer Sauberkeit zu einem globalen Umweltproblem entwickelt hat? Mit seiner „schmutzigen Geschichte der Menschheit” verdeutlicht der Autor, warum sich das Wegwerfen, Entsorgen und Wiederverwerten verändert hat, und inwiefern der Versuch, Müll zu beseitigen, das Gesicht unserer Städte und Siedlungen bis heute prägt.
Roman Köster: Müll. Eine schmutzige Geschichte der Menschheit, C.H. Beck, 422 Seiten, 29,00 €
Sara Weber: Das kann doch jemand anderes machen!
Die 1987 in München geborene Sara Weber entwirft in diesem kürzlich erschienenen Sachbuch folgendes Gedankenspiel: „Stell dir vor, es ist Arbeit – und keiner muss hin.” Mit „Das kann doch jemand anderes machen!” möchte die Deutsch-Amerikanerin beweisen, dass Künstliche Intelligenz nicht nur für Risiken steht. Vielmehr ist Sara Weber der Ansicht, dass wir mit dem Werkzeug KI sogar besser arbeiten können als je zuvor, sofern wir es für positive und gerechte Veränderungen einsetzen: „In der Medizin wird KI zur Diagnostik genutzt, in Handwerksbetrieben, um die Produktion besser zu planen, in Marketing und Werbung, um schneller mehr verschiedene kreative Ideen zu brainstormen. Das kann den Arbeitsalltag erleichtern.” Klar ist, dass wir aufgrund allgemeiner Erschöpfung und des zunehmenden Mangels an Fachkräften die Arbeitswelt neu denken müssen. Sara Weber liefert dafür spannende Ansätze.
Sara Weber: Das kann doch jemand anderes machen! Wie KI uns alle sinnvoller arbeiten lässt, Kiepenheuer & Witsch, 240 Seiten, 18,00 €
Nicklas Brendborg: Gewohnheitstiere
Nicklas Brendborg ist ein echtes Nachwuchstalent: Mit seinen 25 Jahren ist er Postdoktorand für Molekularbiologie an der Universität Kopenhagen; bereits 2015 veröffentlichte er sein erstes Buch. Nun legt er mit „Gewohnheitstiere. Wie Industrie und Wissenschaft unsere Instinkte manipulieren” ein Werk vor, das neue Sichtweisen auf menschliche Gewohnheiten liefert. Brendborg nimmt sich der Entwicklung unserer Verhaltensmuster an, indem er unterhaltsame, aber auch kritische Fragen aufwirft: Wieso sind große, bunte Eier für Vögel attraktiver als die kleinen, unscheinbaren? Warum werden Früchte im Laufe der Evolution immer süßer? Und warum wird die Weltbevölkerung immer übergewichtiger, obwohl das Interesse an einer gesunden Lebensweise größer ist denn je? Wer verstehen möchte, weshalb es uns manchmal so schwerfällt, schlechte Gewohnheiten abzulegen, kommt an diesem Buch nicht vorbei. Erscheint am 25.10.2024
Nicklas Brendborg: Gewohnheitstiere. Wie Industrie und Wissenschaft unsere Instinkte manipulieren, Quadriga Verlag, 319 Seiten, 24,00 €
Volker Kitz: Alte Eltern
„Mein Vater wird nicht verstehen, was die 8 und die 0 auf dem Kuchen mit ihm zu tun haben.” So beginnt Volker Kitz seinen literarischen und sehr persönlichen Essay über „die Zeit der Ungeahntheiten, in der sich Verantwortung verschiebt.” Denn in „Alte Eltern” geht der Bestsellerautor und ZEIT-Kolumnist der Frage nach, was es bedeutet, wenn die Eltern alt werden. Anhand der Geschichte seines Vaters, der nach dem Tod der Ehefrau mehr und mehr die Orientierung in seiner Welt verliert, berichtet Kitz von den übersehenen Anfängen dieser Entwicklung und zeichnet sie nach bis zu dem Tag, an dem der Vater gar vergisst, wie man schluckt. „Alte Eltern” dreht sich um Hoffnung und Hilflosigkeit, um Tod und Trost. Dabei berührt der Autor Fragen, die eine ganze Generation betreffen.
Volker Kitz: Alte Eltern. Über das Kümmern und die Zeit, die uns bleibt, Kiepenheuer & Witsch, 240 Seiten, 23,00 €
Ines Geipel: Fabelland
Vor nun fast 35 Jahren, am 9. November 1989, fiel in Berlin die Mauer. Kurz zuvor war Ines Geipel bereits in den Westen geflüchtet, sie begann in Darmstadt ein Studium. Von dort aus erlebte die heutige Schriftstellerin und Professorin für Verskunst diesen historischen Zeitriss: „Am Anfang war das Glück. Ruhig, selbstverständlich, auf seltsame Art bei sich. Etwas, von dem ich den Eindruck hatte, es war selbst ganz froh, endlich da zu sein.” Doch was ist geblieben von diesem Glücksgefühl? Wie erzählen wir uns heute Ost und West und die damalige Wiedervereinigung? In „Fabelland” blickt Ines Geipel auf die Gegenwart, die mitunter von Zorn und Verleugnung geprägt ist, betrachtet man den aktuellen Zustand des Landes. Dem gegenüber stellt sie den Blick zurück auf die politische Umbruchlandschaft nach 1989 und beleuchtet dabei die eigene Familie und allerlei Verharmlosungen und Legenden, die eben bis in die heutige Zeit hineingreifen.
Ines Geipel: Fabelland. Der Osten, der Westen, der Zorn und das Glück, S. Fischer, 320 Seiten, 26,00 €
Niclas Seydack: Geile Zeit
Pokémon, VIVA, HDGDL, ICQ und das erste Handy – Niclas Seydack erzählt von (s)einer idyllischen Kindheit und Jugend, die jedoch spätestens am 11. September 2001 einen tiefen Riss erfuhr. Es folgten Schweigeminuten in der Schule, später unbezahlte Praktika, ein verkürztes Studium und der Berufsstart im Lockdown: Der freie Reporter Seydack (unter anderem ZEIT, Spiegel und Süddeutsche Zeitung) spult in „Geile Zeit. Autobiographie einer Generation” zurück und schildert das Lebensgefühl der Millennials. Denn für diese galt einst: Je düsterer die Zukunft, desto knalliger die Klamotten! „Zweimal leuchtet der Stern der Millennials auf”, schreibt Seydack. „Lena gewinnt den Eurovision Song Contest. Mario Götze schießt Deutschland zum WM-Titel. Doch das Licht dieser vermeintlichen Ikonen verglüht schnell.” Denn während eine ganze Generation erwachsen wird, ist die Welt bereits mehrmals eine andere geworden …
Niclas Seydack: Geile Zeit. Autobiographie einer Generation, Klett-Cotta, 224 Seiten, 22,00 €
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